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Pia Piaggio besucht Goethe

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Immer mal wieder geht es um Sieg oder Niederlage des Second Lifes. Weitere 3D-Welten öffnen ihre Plattform und laden zur Avatarsierung ein; locken mit allerlei Stöffchen ihre zukünftigen Residents an. Um Sieg oder Niederlage kann es demnach wohl kaum noch gehen – bald werden es alle wissen: Das Web 3D wird nicht einfach verschwinden, nein, es wird sich entwickeln. Dazu gehört unter anderem eine Diversifizierung frei nach dem Motto: Jedem Mensch seinen Avi und jedem Avi seine Welt.

Dem Einen liegen virtuelle Stadtbesichtigungen mehr am Herzen, als Fantasielandschaften. Ein Anderer verweilt lieber bei seinem Lieblingsfernsehsender, als sich in fremde Regionen zu stürzen. Und ein Weiterer nutzt seine virtuelle Welt lieber zum Chatten, als zum Bauen, Scripten und Designen. Aber bisher zumindest ist es ganz klar, welche 3D Welt ganz vorne liegt, wenn es um Bildung geht. Und das ist das gute alte Second Life, führend, was Angebote und Präsenzen im Bereich des Lernens und Lehrens angeht. Brandneu öffnete zum Beispiel am vergangenen Montag das Goethe Institut seine virtuellen Pforten. Pia Piaggio war vor Ort. Weggelockt von den Turntables des virtuellen Ibizas hatte ich Sie mit einem Live Konzert von Bernd Begemann, das dort anlässlich der Sim-Eröffnung stattfinden sollte.

„Na gut, dann geht’s eben nach Goethe. Wenn da auch gute Musik ist, habe ich nichts dagegen.“ Puuhhh, geschafft. Natürlich hatte ich verschwiegen, dass es eigentlich um eine Kultur- und Lernschmiede geht, in der alle Leute dieser Welt Deutsch lernen sollen oder können oder sogar dürfen.

Tagelang habe ich überlegt, was ich der guten Pia Piaggio zu diesem besonderen Anlass anziehen soll. Schließlich stöberte ich in ihrem Inventar ein ganz nettes Outfit hervor, welches sie sich irgendwo einmal als Freebie abgegriffen hat. In dem braun melierten Top mit der passenden Hose dazu sowie den halbhohen Bastsandalen sieht sie recht passabel aus. Über ihren Namen setze ich „Freie Journalistin“ und los geht´s.

Die Slurl des Events ist bis zuletzt streng geheim. Erst ab 16.oo Uhr steht der Teleport zur Verfügung. So um halb fünf jage ich Pia Piaggio in den Filter, jedoch wird sie auf einer Nachbarregion abgesetzt. „Was soll denn das?“, entrüstet sie sich derbe. Tja, zu viel Traffic vielleicht? Nach dem vierten Versuch klappt es dann endlich. Pia ist ganz schön angefressen, vermutet aber gleichzeitig: „Es wollen wohl ´ne Menge Leute hin, zu dem Konzert. Da bin ich ja mal gespannt.“


Goethe-Sim

Endlich taucht das Goethe Institut aus dem virtuellen Nichts auf. Designerisch gekonnt ist das reale Logo als Sim umgesetzt, ein Exempel für die perfekte CI im Grid.

„Sieht ja richtig chic aus, dieses Goethe“, wirft Pia mir im Anflug zu. So wie sie den Namen benutzt, befürchte ich, sie hat keinen blassen Schimmer, was Goethe bedeutet. Aber ich will auch nichts vorwegnehmen. Ihr geht es ehedem nur um das Konzert.


Kulturgut

Sie landet vor einigen Plakatwänden. „Künste, Gesellschaft, Wissen, Deutsch lernen. Ich glaube, wir sind hier doch falsch gelandet. Da steht nix von Musik“, bemerkt sie finster. Immer schön tranquila, Pia, das Konzert müssen wir halt erst mal suchen. Außerdem fängt es erst um 17.oo Uhr an. „Dass ich mal irgendwo zu früh bin, ist ja auch noch nie vorgekommen“, murmelt sie und schaut sich um.


Ausstellung

Noch ist nicht all zu viel los. Jonathan Lowenhart vom Goethe Institut eilt auf Pia zu und chattet ihr eine nette Begrüßung zu. „Wenn du Hilfe brauchst, bin ich immer für dich da“, hackt sie in ihre Tastatur. „Echt nett, danke dir“, erwidert Pia und schlendert los.


Tropen

„Schau mal, hier ist eine Tropenausstellung aufgebaut. Was sind Tropen?“, interessiert Pia. Ja, nun, das ist eine Gegend, die ganz weit weg ist von Deutschland. Die Tropen stellen einen einzigartigen kulturellen Wert dar. Und darum gehören sie auch hierhin. Pia schüttelt den Kopf. „Das verstehe ich nicht.“ Das Goethe Institut fördert die Kultur weltweit auf vielfältige Weise, das will das heißen. Meine ich zumindest.


The World

„Ach so. Darum auch diese riesige Karte. Schau mal, hier kann man das weltweite Institutsnetzwerk sogar begehen.“ Mit wenigen Klicks steht Pia in der ausgewählten Stadt auf einer zweiten Ebene.


Goethe-Netz

„Haben die auch einen Sitz auf Ibiza?“, will sie wissen. Oh je, Pia hat es scheinbar schwer erwischt. Alles dreht sich nur noch um Ibiza. Mal schauen, wie lange das anhält.


Kunst

„Da vorne gibt es glaube ich ein Freebie. Irgendwas in einer Box. Das hole ich mir.“ Sie stapft entschlossen vorwärts. Als sie den Text durchgelesen hat, wirkt sie enttäuscht. „Das ist gar kein Freebie. Da werden die 7000 Eichen von einem Joseph Sowieso nachgestellt. Eine Synthetik Performance wird draus gemacht. Lass mich mal teleporten, vielleicht ist das interessant.“


Performance

Pia landet auf den hoch in der Luft gelegenen Würfeln, die aus irgendeinem Grund in Farbe und Form aus der CI völlig herausfallen. Sie klettert auf den orangen Kästen herum, findet aber nirgends einen Eingang. Nach längerem Suchen chattet sie Jonathan Lowenhart an. „Wo finde ich bitte die Performance?“ „Kann man erst in Kürze besichtigen“, bekommt sie zur Antwort.


Fotos

Bevor sie sich darüber aufregen kann, lotse ich sie in die Ausstellung „Junge Deutsche Modefotografen“.


Modefotografie

Zehn junge Fotografinnen und Fotografen zeigen hier einige ihrer Arbeiten. Pia schlendert durch die Ausstellung.


Fotos

„Ihr Menschen seht fast aus wie wir Avatare“, platzt sie nach einer Weile heraus. Ich muss kurz die Luft anhalten. Wie war das mit dem Ei und dem Huhn doch gleich? Pia grient mich an. Rotzfrech wird sie langsam. Dafür lasse ich sie vor die Wand laufen, mitten in die Brust des halb nackten Beaus. „Sei doch nicht gleich so eingeschnappt“, wimmert sie vor der Wand zuckend. Okay, ich will ja gar nicht so sein. Dann zockeln wir eben weiter.


Film

Das Goethe Institut scheint sich ebenfalls für die bewegten Bilder zu engagieren. Einige Kurzfilme stehen zum Anschauen bereit.



In diesem Sinne gab es einen Kurzfilmwettbewerb für indische Filmemacher. Unter dem Motto „Die Macht der Sprache“ entstanden insgesamt 10 Filme zu diesem Thema.


Wetbewerb

Aber letztendlich dreht sich alles ums Deutsch lernen und sprechen. „Die bieten einen Gratiskurs an, wenn man schon ein wenig Deutsch kann“, klärt Pia mich auf. Super, nur weiß der Geier, welche Uhrzeit das nach MEZ ist. Uhren sind absolute Mangelware im Second Life und SLT-Umrechnungstabellen ebenfalls. Na egal, Pia kann ja Deutsch. Und meine Deutschschülerinnen, die das interessieren könnte, leben derzeit noch avatarlos vor sich hin.


Deutsch im Grid

Stattfinden sollen diese virtuellen Kurse jedenfalls im Cafébereich. Bequeme Sofas stehen dort für einen entspannten Konversationsgenuss zur Verfügung.


Cafeteria

„Was ist denn jetzt mit Bernd Begemann? Kommt der noch?“, quengelt Pia.


Konzetrkugel

Als wäre die eine Zauberformel gewesen, öffnet sich die grüne Kugel und die Bühne wird sichtbar. Ernst Schuhmann betritt die Bühne und informiert kurz und prägnant über die Belange des Goethe Instituts im Second Life.


Start

„Aha. Die wollen hier nicht werben, sondern arbeiten. Das ist lobenswert“, fasst Pia die Begrüßung zusammen.


Mitteilung

Dann schweift ihr Blick von der Bühne ins Publikum. „Wow, ein Schokoavi“, entfährt es ihr. Sie betrachtet den gestählten, von Tattoos übersäten Körper in der schlaksigen Jeans von oben bis unten. „Ganz international geht es hier zu.“


Schokoavi

Endlich legt Bernd Begemann los. Es wird sofort getanzt. „Guck mal.“ Pia zeigt auf einen Gastavatar ganz in ihrer Nähe. „Der ist von bokowsky & laymann“, flüstert sie mir mit bedeutungsvollem Blick zu und wendet sich wieder gen Bühnenspektakel. „Schaltet die Umwelteinstellungen auf Mitternacht“, rät jemand im Chatkasten.


Tanz

Yeah, das sieht dann schon ganz anders aus. Pia ist allerdings trotzdem enttäuscht. „Ein Katzenjammer, dieser Sänger“, findet sie, während andere begeistert applaudieren. „Wer AC/DC hört, schlägt seine Frau“, gibt dieser auf der Bühne zum Besten. Offenbar nennt man ihn nicht umsonst den Balzac der Beat-Musik.


Mitternacht

„Der arme Krächzer hat nicht mal eine eigene Gitarre und an Bühnendeko ist ja wohl zum Heulen gespart“, lästert Pia Piaggio weiter. Ach Pia, das sind doch reine Äußerlichkeiten. Kommt es denn in diesem Rahmen darauf an? Als er seine Gäste um Musikwünsche bittet, kommentiert Pia das so: „Und ein Programm hat der scheinbar auch nicht.“ Oh oh, den hat sie jetzt vermutlich auf dem Kieker.

Das Publikum ist stiller, als der Entertainer sich erhofft. Draxtor Despres hat dafür jedoch eine Erklärung parat: „Die Deutschen haben (immer noch) Berührungsängste mit Unterhaltung“, chattet er für alle sichtbar. Übrigens wird hier überwiegend in vollem deutschen Satzgut gechattet. Ein LOL von Zeit zu Zeit ist schon das Höchste an SL-Slang auf dem Goethe-Eiland.


Begemann

Sein vorletzter Song heißt „Egoshooter“ und ist dem Publikum gewidmet. Pia explodiert fast vor Wut auf diesen „arroganten Schnösel“, wie sie ihn nennt.


Mich macht etwas ganz anderes nervös: das Grosse, ein Wort, dass es im Deutschen so leider nicht gibt. Wahrscheinlich eine Programmierungsschwäche, die im Goethe-Rahmen allerdings urpeinlich wirkt.

Um punkt sechs Uhr ist die Party dann vorbei. „Einsegen“, seufzt Pia, „den habe ich überstanden.“ Einige Gäste verlangen eine Zugabe, auf die der Sänger irgendwann eingeht. Aber noch bevor er die erste Note anschlägt ist Pia schon wieder an ihrem derzeitigen Lieblingsort eingetroffen.


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